1175 km weg und doch so nah – 40 Jahre Freundschaft mit Possagno, Italien 

Ein Herrenabend mit Uwe Wahlers, Klaus Boedecker und Jörn Klee12 agosto 1990 - Soggiorno a Possagno del gruppo tedesco 'De Beekscheepers' di Scheessel

De Beekscheepers blicken dieses Jahr zurück auf 40 Jahre Freundschaft mit der Gruppo Folcloristico „I Posagnòt“ aus dem Ort Possagno in Treviso, Norditalien. Die Begründer dieser einzigartigen Verbindung sind die ehemaligen Vorsitzenden der Beekscheepers Uwe Wahlers, Klaus Bödecker und Jörn Klee.

Die Gruppe I Posagnòt wurde 1982 gegründet - in dem Jahr, in dem Possagno den 150. Jahrestag der Weihe der Kirche feierte, die von Antonio Canova (1757-1822), dem neoklassizistischen Künstler, konzipiert und seiner Stadt geschenkt wurde. 
„I Posagnòt“ hat es sich zur Aufgabe gebacht, lokale Volkstradition in Form von Gesang, begleitender Live-Musik und Tanzdarbietungen zu etablieren.

Beekscheepers: Was war die erste Begegnung und wie kam diese zustande?
Uwe Wahlers: 1985 in Scheeßel beim Beeke-Trachtenfest (so hieß es damals).
Zuvor war unser damaliger Vorsitzende Helmut Behrens als Delegationsteilnehmer der Region Niedersachsen nach Veneto eingeladen, und hatte in diesem Rahmen die Einladung zu unserem Trachtenfest ausgesprochen. So kamen die „Posagnotten“, wie man sie hier liebevoll nennt, das erste Mal zu uns.
Der erste Gegenbesuch in Possagno folgte quasi auf dem Fuß. 40 Beekscheepers - Jugendliche und Erwachsene – fuhren im Sommer 1986 gen Norditalien. Die Verständigung in englischer Sprache war damals noch sehr rar, man verständigte sich also mit Händen und Füßen, ggf gab es einige Familienmitglieder, die für alle anderen übersetzt haben.
Dieser Austausch war damals schon so intensiv, dass nach diesem ersten Besuch bereits viele unserer Leute Vereinsmitglieder wurden und sich teilweise sogar an einem Italienisch-Kurs an der VHS angemeldet haben.

Kleine Anekdote am Rande (Anmerkung der Redaktion) - 1985 beim ersten Besuch fragte ein Gruppenmitglied (Sergio, damals ca. 25 Jahre alt) nach dem Weg zum Heimathausgelände “how will I get to China town?”

Beekscheepers: Wieviele Besuche gab es in diesen 40 Jahren?1986 Tedeschi01
Klaus Boedecker: Unzählige. Es gab offizielle Besuche – vor allem die zu unseren Beeke-Festivals 1985, 1995, 2005 und 2013 - inoffizielle Besuche mit kleinen Delegationen hier oder dort, und es gab (und gibt) viele, viele private Besuche. Wir waren sogar schon auf einer Hochzeit in Possagno!

Jörn Klee: Ja!!! Nach unserem ersten Besuch damals (1987) waren die zwei Beekscheeper-Gastschwestern bei ihrer Gastfamilie in Possagno zu einer Hochzeit eingeladen und haben kurzerhand Klaus und mich mitgenommen. Was war das für ein Fest!! Es gab Unmengen an köstlichem Essen und getanzt wurde natürlich auch – wobei der Fokus ganz klar auf dem Essen lag (anders als es hier landläufig üblich ist)

Klaus Boedecker: In den 90er Jahren gab es einen sehr regen Austausch, mindestens alle 3-4 Jahre fand ein Besuch statt, auch an unserem traditionellen Museumstag am 1. Mai waren einige „Posagnotten“ zu Besuch.
Sogar mit der Jugendmannschaft von „Rot-Weiß Scheeßel“ gab es 1990 eine gemeinsame, sehr intensive Reise nach Possagno.
Die direkte Flugverbindung Bremen – Treviso mit Ryan Air half damals sehr, diese besondere Freundschaft in Verbindung zu halten. Leider wurde diese inzwischen eingestellt.
Es freut mich daher besonders, daß unsere lieben „Posagnotten“ dieses Jahr zu unserem gemeinsamen Jubiläum wieder beim Beeke-Festival dabei sind!

Uwe Wahlers: Eine ganz besondere Reise kommt mir sofort in Erinnerung: Aufgrund meiner Erkrankung seit einigen Jahren dachte ich, nie wieder hinfliegen zu können.
Doch diese Rechnung hatte ich ohne meinen Freund Jörn Klee gemacht - 2022 haben er und ein weiterer gemeinsamer Freund mir einen Herzenswunsch erfüllt und wir sind noch einmal zusammen nach Possagno geflogen. Ich bekomme noch immer Gänsehaut, wenn ich an daran denke!

Beekscheepers: Was war für Euch eines der herausragendsten Erlebnisse?
Uwe Wahlers: Mich hat es sehr berührt, mit welcher Ernsthaftigkeit sich unsere Gastgeber bemüht haben, uns ihr Land und ihre Kultur nahe zu bringen.
Der einzigartige neoklassizistischer Künstler Antonio Canova – in Possagno geboren und der größte Bildhauer seiner Zeit (seine Werke stehen in diversen Kunstgalerien Europas) – kehrte oft in seine Heimatstadt zurück und dort findet sich auch das Werk, das ihm am meisten am Herzen lag - der Tempel auf einer Anhöhe zu Füßen des Berges „Col de Draga“
Der Tempel ist eine römisch-katholische Pfarrkirche im Stile des Parthenons in Athen und des Pantheons in Rom und hat eine wahnsinnige Akustik, unsere Musiker (die Heidjer Dörpsmuskanten) haben dort zu einem Gottesd1986 Tedeschi01ienst spielen dürfen.
Das besondere ist - Antonio Canova hat nicht mehr gelebt, als der Tempel fertiggestellt wurde. Heute ruhen dort seine sterblichen Überreste.
Klaus Boedecker: Ich vergesse nie die erste Einladung und den ersten Besuch 1986 – wir erlebten eine überwältigende Gastfreundschaft! Die viele gemeinsame Zeit, die Erlebnisse und Gespräche, das gesellige Beisammensein – es gibt seitdem dort immer eine offene Tür für uns (sehr oft haben wir uns seitdem privat besucht), ich habe bereits mehrere Italienisch-Kurse an der VHS absolviert, um die Sprachkultur und den Austausch mit unseren Freunden zu intensivieren.
Jörn Klee: Ich bin 2010 ganz allein nach Italien gefahren, um meine Freunde dort einmal privat zu besuchen. Und auf dem Rückweg hatte ich natürlich ein paar (wenige!) Exemplare des köstlichen Prosecco aus der DOCC-Region (Valdobbiadene) im Gepäck.
Aber das absolute Highlight war 1986 unser Empfang dort: mit 3 Ultraleicht-Flugzeugen ließ man Hunderte kleiner Zettel vom Himmel regnen – diese waren versehen mit den Wappen von Scheeßel und von Possagno in einem vereint.
Ich erinnere mich auch noch, daß wir zu unserem ersten Besuch damals bereits zum Frühstück Grappa angeboten bekamen – sehr ungewöhnlich, da ich „cafè“ erwartet habe – aber man will ja diese herzerwärmende Gastfreundschaft nicht ausschlagen…..

Uwe Wahlers: es gab auch traurige Anlässe – 2015 ist Zoe, die Frau von Marcello Cavarzan (Gründer der Gruppe) verstorben. Ich war 1 Woche vorher noch dort zu Besuch gewesen und sie sagte „Ich will mit Uwe noch ein Bier trinken!“, obwohl sie sonst nie Bier trank. Das ging mir sehr nahe.

Beekscheepers: Wie bereichert(e) „I Posagnòt“ die Beekscheepers über die gegenseitigen Besuche hinaus?
Uwe Wahlers: Es gab in den 90er Jahren ein Projekt zur Zusammenarbeit von Schulen aller Schulstufen und -formen innerhalb der EU (Comenius-Programm, heute in Erasmus eingegliedert ). Ich konnte Possagno dafür gewinnen, bei diesem Projekt mitzumachen und u.a. den Austausch mit unserer Grundschule in Scheeßel zu fördern, von welcher ich damals Schulleiter war.

Jörn Klee: auf einem Festival dort haben wir auch Gruppen aus Estland und Holland kenngelernt und erste Freundschaften geknüpft.

Klaus Boedecker: so ist es bei uns immer, ein Besuch fördert den nächsten – dort in Possagno entstanden die ersten Kontakte zu Gruppen aus Portugal, Ungarn und „de Krek1986 Tedeschi17kel“ aus Holland.

Beekscheepers: Was zeichnet den Verein „I Posagnòt“ aus?
Uwe Wahlers: Auf jeden Fall Gesang und Tanz! Die ursprüngliche Leitung der Gruppe – Gabriele Vardanega - hatte alte Lieder aus der Region gesammelt, diese in Büchern abgedruckt und mit „I Posagnòt“ auf CD aufgenommen.

Beekscheepers: Seit wieviel Generationen gibt es „I Posagnòt“?
Uwe Wahlers: Die Gruppe wurde 1982 gegründet – Kinder, Jugendliche und Erwachsene kommen immer zusammen und leben gemeinsam ihre Musik und ihren Tanz - heute bereits in der 3. Generation!

Marcello Cavarzan hat die Gruppe gegründet - er ist der Entertainer der Gruppe – und bildet zusammen mit seinem Freund Gabriele Vardanega - musikalischer Leiter der Gruppe - lange Zeit die führenden Köpfe des Vereins. Der der ursprüngliche Stamm der Gruppe sind ihre Familien, doch immer mehr Musiker und Tänzer kamen im Laufe der Zeit dazu.
Die heutige musikalische Leitung hat Davide Pauletto (Jahrgang 1979) inne. Er war schon als Jugendlicher mit seiner Trompete dabei uns ist heute beruflich der Leiter der Musikschule und Dirigent bei großen Konzerten in der Region.

Bis heute wohnt Marcello Cavarzan – der Gründer der Gruppe – bei uns zu Hause!
Ich freue mich schon unglaublich auf seinen Besuch in wenigen Monaten.
Seinetwegen habe ich mir sogar seinerzeit WhatsApp eingerichtet, um sich gegenseitig Fotos auszutauschen und mit einem Übersetzungsprogramm in Kontakt zu bleiben!

Beekscheepers: Wie groß ist die Gruppe „I Posagnòt“ aktuell?
Klaus Boedecker: Dieses Jahr kommen unsere Freunde mit 27 Personen zum Beeke-Festival nach SCheeßel!!
Sie werden singen, musizieren, tanzen und in unsere Herzen hüpfen.

Beekscheepers: Wie man also lesen kann, gibt es wunderbare, enge Verflechtungen zwischen den Familien über Jahre hinweg.
So war zum Beispiel eine kleine Abordnung zum 50-jährigen Jubiläum der Beekscheepers 2023 in Scheeßel zu Gast, zur Hochzeit von Jörn Klee und seiner Frau Dani gab es selbstverständlich auch Besuch aus Possagno. 2017 hat sogar die Künstlerin Marie Vardanega aus Possagno in unserer Galerie auf dem Meyerhof eine Ausstellung gegeben.

So lebt die Freundschaft, der Kontakt auf unterschiedlichen Ebenen und der intensive Zusammenhalt der Gastfamilien weiter - von Generation zu Generation. Beide Vereine sind sich so sehr ans Herz gewachsen und diese Verbindung wird hoffentlich ewig weiterleben!

Wer einmal nach Possagno reisen möchte – der Flughafen von Treviso ist nicht weit und heißt – wie sollte es anders sein - natürlich „Antonio Canova“.